ANGELFISCHERVERBAND IM
LANDESFISCHEREIVERBAND WESER-EMS E.V.

Eine einfache Methode zur Sauerstoffanreicherung in Seen

13.08.2020

In vielen Seen kommt es im Sommer zu Blaualgenblüten, was über Wochen das Erscheinungsbild der betroffenen Gewässer trübt. An der Wasseroberfläche bilden abgestorbene Blaualgen eine übelriechende Schicht, die bei direktem Kontakt zu Haut- und Schleimhautreizungen führen kann. Dies bedeutet nicht nur ein Schwimmverbot für Badegäste, sondern schränkt auch das Angeln ein. Für das Ökosystem in einem See ist die Algenblüte eine extreme Situation, unter der auch der Fischbestand leidet.

Da sich Blaualgen wie andere Bakterien durch Zellteilung vermehren, können sie sich unter günstigen Bedingungen sehr schnell ausbreiten. Die massenhafte Ausbreitung der Blaualgen wird durch Sonnenlicht, Wärme und vor allem durch einen erhöhten Nährstoffgehalt im Gewässer begünstigt. Nach dem Absterben sinken die Blaualgen auf den Seegrund und werden unter Sauerstoffverbrauch von Organismen mikrobiell abgebaut. Dies kann sehr schnell zu Fäulnisprozessen und einem Sauerstoffmangel im Gewässer führen.

Bei der Verfügbarkeit von Sauerstoff in Seen hat die temperaturbedingte Schichtung des Wassers einen entscheidenden Einfluss. Die Schichtung wird hervorgerufen durch die Dichteeigenschaften des Wassers. Wasser hat bei 4 Grad seine höchste Dichte und ist bei dieser Temperatur demnach am schwersten. Durch die Sonne wird das Oberflächenwasser erwärmt, wogegen im Tiefenwasser kältere Temperaturen vorherrschen. Das Oberflächenwasser (Nährschicht), welches als Epilimnion bezeichnet wird, lagert somit über dem Tiefenwasser (Zehrschicht), dem Hypolimnion. Die beiden Schichten werden durch eine Zwischenschicht getrennt, der sogenannten Sprungschicht (Metalimnion). Es handelt sich hierbei um eine dünne Schicht, die den Übergang zwischen Epilimnion und Hypolimnion bildet. Die stabile Schichtung des Wassers (Stagnation) stellt sich neben dem Sommer auch im Winter ein.

In unserer Klimazone wird im Frühjahr und Herbst, hervorgerufen durch den Wind, bei gleichmäßiger Wassertemperatur von etwa 4 Grad, das Wasser durchmischt (Zirkulation). Hierbei kommt es auch zur Umverteilung von Sauerstoff und Nährstoffen. Im Sommer und Winter wird, bedingt durch die Sprungschicht, der Stoffaustausch zwischen dem Oberflächen- und Tiefenwasser verhindert. Demnach wird nicht nur der Wärmetransport, sondern auch der Transport von Sauerstoff in die Tiefe des Sees unterbunden. Da im Tiefenwasser weiterhin der Abbau von Biomasse durch sauerstoffverbrauchende Organismen erfolgt, kommt es durch den fehlenden Nachschub an Sauerstoff aus den oberflächennahen Schichten zur Sauerstoffzehrung im Hypolimnion. Bei Mangel an Sauerstoff unterhalb der Sprungschicht kann die Zersetzung von Biomasse zu einer Rücklösung von Phosphat aus dem Sediment führen, welches folglich dem Ökosystem wieder zur Verfügung steht. Unter der Verfügbarkeit von Sauerstoff (aeroben Bedingungen) würde der Nährstoff in den Boden eingelagert werden.

Das Ziel ist es, die wärmebedingte Schichtung des Wassers aufzubrechen (künstliche Destratifikation), um den Transport von oberflächennahem sauerstoffreichem Wasser in die Tiefe zu ermöglichen. Dieses Vorgehen ist weltweit die meist angewandte Technik zur Bekämpfung der Blaualgenproblematik. Im Jahr 2002 empfahlen Prof. Dr.-Ing. Jürgen Michele vom Institut für Energie-, Verfahrens- und Umwelttechnik (EVU) der Jade Hochschule in Wilhelmshaven und Dr. Volker Michele in einer Veröffentlichung die Freistrahltechnik zur Bekämpfung der Blaualgenproblematik. Das Wasser eines Sees wird bei dieser Methode mit einer verfahrenstechnisch klassischen Rührtechnik durchmischt, um die Schichtung des Wassers zu beseitigen.

Wir möchten Ihnen eine kostengünstige Möglichkeit aufzeigen, mit der die Bildung einer Sprungschicht in einem See verhindert oder verzögert werden kann, damit Sauerstoff in die tieferen Bereiche eines Sees gebracht wird. Die Idee hierfür entwickelte Dr. Michele bei der Beobachtung von Flugdrachen. Er realisierte die Kräfte, die auf einen Drachen wirken, um diesen fliegen zu lassen. Damit sich ein Flugdrache in die Luft erhebt, wird der Schwung des herannahenden Windes heruntergedreht, wodurch eine aufwärts gerichtete Kraft entsteht. Anstatt einen Flugdrachen in die Höhe zu bringen, entstand die Überlegung, die durch den Wind entstandene Oberflächenströmung in einem See mit Hilfe eines Vorhanges aufzufangen und in die Tiefe zu lenken. Hierdurch soll die natürliche Zirkulation unterstützt werden, um die temperaturbedingte Schichtung im See aufzuheben und den Transport von oberflächennahem sauerstoffreichem Wasser in die Tiefe zu ermöglichen.

Zusammen mit Peter Lücking, ebenfalls vom EVU der Jade Hochschule in Wilhelmshaven, und Jürgen Wilken von der GEW Wilhelmshaven GmbH – Bereich Trinkwasserversorgung entwickelte Dr. Michele eine Möglichkeit, die Idee in die Praxis umzusetzen. Im September 2018 erfolgte die Erprobung im Banter See in Wilhelmshaven.

Für den Versuch verwendeten die Wissenschaftler als Vorhang eine Plane mit den Maßen 10x6 m. Um die Plane oben schwimmen zu lassen und somit am Versinken zu hindern, wurde als Schwimmkörper ein geschlossenes Abwasserrohr verwendet, an welches die Plane befestigt wurde. Damit die übrige Plane im See hängt, wurden zur Beschwerung an der unteren Seite der Plane drei Gewichte angebracht. Hierfür wurden Lochziegel verwendet, die eine einfache Befestigung ermöglichen.

Der Praxistest des Vorhanges erfolgte mit seiner Durchführung im September zu spät im Jahr, um die bereits vorhandene Schichtung aufzubrechen. Dennoch zeigte ein Test mit verdünnter fettarmer Milch, die am unteren Ende des Blatts injiziert wurde, dass die nach unten gerichtete Geschwindigkeit der Flüssigkeit in der Mitte des Vorhangs deutlich über der horizontalen Geschwindigkeit der Oberfläche lag.

Die vollständige Darstellung der Methode finden Sie auf www.lfv-weser-ems.de unter Über uns/Downloads/Wissenschaftl. Arbeiten/Sauerstoffanreicherung in Seen

Die Kosten für einen "Vorhang" belaufen sich lediglich auf etwa 150 Euro. Eine Bestellübersicht geben wir auf Anfrage gerne weiter.

 

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