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SDN stellt sich vor die familiären Krabbenfischer-Betriebe

23.03.2023

„Es mag sich merkwürdig anhören”, befürchtet Bürgermeister Gerd-Christian Wagner, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste e.V. (SDN), „aber ohne eine nachhaltige Küstenfischerei hat unsere Nordsee, bei all ihrer industriellen Nutzung, kaum mehr eine Chance, noch wenigstens ein der Natur nahes Refugium zu bleiben!” 

Der aktuelle Aktionsplan der EU-Kommission Schutz und Wiederherstellung der Meeresökosysteme für eine nachhaltige und widerstandsfähige Fischerei, der die EU-Mitgliedstaaten zum sofortigen Handeln auffordert, würde mit seiner Umsetzung schlicht das Gegenteil bewirken. Denn mit den Küstenfischern verschwände eine fachkundige Gruppe, die direkt und vor Ort negative Veränderungen der Meeresumwelt nicht nur punktuell, wie die Forschung, sondern tagesaktuell sowie großflächig bemerken und wohl auch öffentlich machen würde. 

„Und diese negativen Veränderungen sind nicht durch die auf Nachhaltigkeit MSC-zertifizierte Krabbenfischerei des Wattenmeeres verursacht, sondern durch sehr viel größere Bedrohungen wie Schadstoffeinträge, Erwärmung, Plastikmüll, Gammelfischerei, Eutrophierung, Sandentnahmen, militärische Nutzung, Offshore-Windparks, Baggergutverklappungen und vieles mehr“, gibt Wagners SDN-Stellvertreter Ulrich Birstein, im Hauptberuf Kapitän und Seelotse, zu bedenken.

Als kommunal verorteter Umweltverband sehe sich die SDN von daher in der Pflicht, sich schützend vor die betroffenen Familienbetriebe zu stellen, machen beide Vorsitzende klar. Denn eine bei Umsetzung des Aktionsplanes drohende Aufgabe ihrer Betriebe wäre einzig zu Gunsten von Großbetrieben, die aufgrund größerer Schiffe und geringerer regionaler Bindung, wesentlich intensiver fischen und bei Ausschöpfung des Fanggebietes schlicht weiterziehen würden. 

„Die derzeitige Form der Küstenfischerei besteht seit Jahrhunderten in Form kleiner Familienbetriebe bei mehr oder weniger gleichbleibend milder Nutzung des Küstenmeeres”, führt Birstein weiter aus. Trotzdem hätte sich die Störung durch die Fischerei selbst in den heutigen Nationalparken als so gering oder gar zu vernachlässigen und kaum nachweisbar erwiesen, dass sich der ökologische Wert sogar zur Anmeldung als Natura2000-Gebiet gerechtfertigt habe. 

Wagner: „Damit wird erneut deutlich, dass die Krabbenfischerei im hochdynamischen Wattenmeer keinen entscheidenden Einfluss auf das Ökosystem und auch keinen räumlichen Überschnitt mit empfindlichen Lebensräumen wie Seegraswiesen, Riffen oder Muschelbänken hat.”

Außerdem habe sich die Einrichtung der Nationalparke Wattenmeer nicht gegen, sondern gemeinsam mit den Krabbenfischern ergeben. Und die Fischereifamilien würden mit technischen Verbesserungen am Fanggeschirr, Monitoring des Beifangs und eigenen Managementsystemen hart daran arbeiten, ihren Einfluss auf die Meeresumwelt immer weiter zu minimieren. Und das alles trotz erheblicher Verbesserungen des Zustands der Meeresfruchtbiomasse im Nordostatlantik. 

„Wir vertreten die Auffassung“, so der Stellvertreter weiter, „dass die Zusammenführung von Naturschutz und Fischerei sich am Begriff der Nachhaltigkeit und am Einsatz schonendster Fangmethoden orientieren sollte.“ So unterzögen sich viele Betriebe einer MSC-Zertifizierung ihrer Fischerei. Wobei der MSC (Marine Stewardship Council) immer den Einzelfall betrachte und bewerte. So sei es wissenschaftlich nicht korrekt, dass alle Grundschleppnetze zerstörerisch wären, denn Grundschleppnetz sei nicht gleich Grundschleppnetz. Sie unterschieden sich je nach Zielart erheblich. So stelle die Industrie- oder Gammelfischerei eines der größten Probleme für das Ökosystem im Wattenmeer und für die nachhaltige Nutzung der Fischbestände dar. Grundschleppnetz-Fischereien, die das marine Habitat irreversibel schädigen würden, erhielten keine MSC-Zertifizierung. 

„Anstatt die vielen Erfolge, die gemeinsam mit der Fischerei erreicht wurden, weiter auszubauen, beabsichtigt man nun den Betrieben, die auch betriebliche Opfer für diese Erfolge gebracht haben, den Boden unter ihren Füßen weg zu ziehen“, befürchtet der SDN-Vorsitzende. Die einheimische Erzeugung würde hier zerstört und die Importabhängigkeit weiter gesteigert. 

„Die in Brüssel glauben doch etwa nicht daran, dass die Gier der Europäer nach Fisch- und Meeresfrüchten durch ihre Maßnahmen zur schrittweisen Abschaffung der mobilen grundberührenden Fischerei in Meeresschutzgebieten gestoppt würde“, überlegt Birstein. Vielmehr gebe es andere Gewinner dieser EU-Politik: die Grundschleppnetzfischerei in Drittländern, außerhalb der EU. Und dabei ließen sich wahrscheinlich faire Fischereiabkommen mit diesen Drittstaaten vermissen. Dabei seien doch vor allem Menschen in Entwicklungsländern darauf angewiesen, ausreichend Fisch für die Eigenversorgung fangen zu können

So fordere die Schutzgemeinschaft alle norddeutschen Landesregierungen, die Bundesregierung, den Ministerrat und das Europäische Parlament auf, die überzogenen Forderungen der EU-Kommission abzulehnen, die zum AUS der deutschen Küstenfischerei führen würde. 

Zudem fordere sie weiter zum Dialog mit den Fischern auf, um gemeinsam einen Plan für die zukünftige Ausgestaltung der Küstenfischerei, insbesondere im Wattenmeer, zu entwickeln. Denn sowohl die tierischen Meeresbewohner als auch die Fischereibetriebe verdienten eine langfristig sichere Perspektive. Und von den verbliebenen Küstenfischereibetrieben wünscht sich die SDN, das diese zukünftig aktiv den positiven Dialog mit der Gesellschaft suchen, um mehr Kenntnis und Differenzierung in der Bewertung ihrer regionalen und nachhaltigen Arbeit zu erreichen. 

„Ansonsten besteht die große Gefahr, dass an der deutschen Nordseeküste nicht nur Friedrichskoog als absolutes Negativbeispiel eines gestorbenen Fischereihafens daher halten muss“, mahnt Birstein. „Hier versuchen im Sommer sogar die ausgewachsenen Krabben wegen Sauerstoffmangel zu fliehen.“

 

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